19. Juni 2017

Living in Shanghai

Ganze fünf Wochen lebe und studiere ich nun schon in dieser riesigen Metropole. Die Zeit verfliegt. Und es ist unglaublich, was ich bisher schon erlebt, beobachtet und gesehen habe. Mein Chinesisch wird allmählich immer besser und mein allgemeines Verständnis von der ostasiatischen Kultur auch. Da ich bisher immer nur kurz von meinen Reisen berichtet habe, dachte ich mir, gebe ich euch mal einen Einblick in das Leben hier in Shanghai generell.

DIE UNI | Der Hauptgrund meiner Reise ist ja mein Studium. Die Tongji-Universität ist eine sehr große und angesehene Uni hier in Shanghai. Es gibt einen riesigen Campus und kurz davor steht unser 27-stöckiges Management-Gebäude, in dem wir jeden Tag von 9-17 Uhr Vorlesungen haben. Neben Fächern wie E-Business und Supply Chain Management habe ich zwei Mal die Woche Chinesisch. Das Lernen der Sprache macht mir total Spaß und ist auch eigentlich gar nicht sooo schwer wie man es sich vorstellt. Wir lernen zwar nur Pīnyīn (also die chinesische Lautsprache in normalen Buchstaben) und keine Schriftzeichen, aber durch die direkte Anwendung der Sprache in Restaurants, Taxis und beim Smalltalk lernt man auf eine ganz andere Weise. Letzens hatten wir eine Kalligraphie-Stunde, in der wir mal unseren chinesischen Namen und einige anderen Zeichen mit Pinsel und Tinte auf spezielles Papier gemalt haben. War ganz witzig, aber Lesen und Schreiben generell ist wirklich schwierig. Diese Woche haben wir unsere erste Zwischenprüfung in Chinesisch und eine Klausur in Chinese Culture. Danach wird es noch einen Dumpling-Kurs geben, wo wir gemeinsam Teigtaschen machen und ich freue mich totaaaal darauf! Vielleicht verrät mir jemand das Rezept.

DAS ESSEN | Kommen wir doch gleich zum Thema Essen. Da hat es uns hier in der Nähe der Tongji Universität wirklich gut getroffen. Hotel und Uni liegen an einer großen Straße. An dieser gibt es vorne einen Obstladen, der täglich neue Lieferungen bekommt. Neben frischer Melone, Mango, Drachenfrucht und Bananen gibt es auch exotische Früchte wie Durian (die "Stinkfrucht"), Jackfrucht oder Yumberry (Myrica Rubra). Gleich daneben hat unser berühmter Bāozi-Mann seinen Stand. Das ist eine Art Hefekloß gefüllt mit Fleisch, Gemüse oder Sesam. Bāozi ist nicht nur unser aller Lieblingsessen, sondern auch unser chinesisches Lieblingswort. Alles ist Bāozi. Gegenüber von unserer Uni gibt es dann einen großen Food Court, in dem man viele verschiedene Restaurants finden kann. Von typisch chinesisch über japanisch bis hin zu arabisch. Hier wird es eigentlich fast nie langweilig und egal was ich bisher bestellt habe (bzw. worauf ich blind getippt habe), es war immer super lecker. Direkt an der Straße gibt es auch leckere Wraps (mit Hühnchen, Ente oder Rind), einen Smoothie-Stand, der frisch gepressten Saft verkauft und einen Waffelladen (in dem ich Stammgast bin). Die Waffeln heißen hier Eggrolls und sind aus kleinen Teigkugeln zusammengesetzt - yumyumyum!

DIE STADT | ... ist so verdammt groß. Und hier leben so unglaublich viele Menschen. Dennoch fühle ich mich in den Massen und zwischen den vielen Hochhäusern erstaunlich wohl. Die Stadt lebt rund um die Uhr. Es ist immer was los. Und es gibt so viel zu sehen und zu tun. Ich hab bis jetzt wahrscheinlich nur einen Bruchteil der Stadt erkundet. Und ich muss sagen, im Vergleich zu Berlin ist die Stadt sehr gepflegt. Selten liegt Müll auf den Straßen und wenn, dann kommt jemand und sammelt es ein. Ansonsten begeistert mich hier noch das Metrosystem, dass 14 Linien und über 360 Stationen hat. Man kommt super schnell von A nach B, auch wenn man sich zur Rush Hour schon manchmal noch mit reinquetschen muss.

DIE KULTUR | Generell finde ich die Menschen hier alle sehr nett. Natürlich gibt es ab und zu Ausnahmen, wie überall auf der Welt. Und nicht alle Sitten und Gebräuche sind mit meinen zu vereinbaren. Dennoch komme ich im Großen und Ganzen mit dem Leben hier gut klar. Durch mein Bisschen Chinesisch kann ich mich eigentlich gut verständigen und wenn nicht nutze ich eben Hände und Füße. Shanghai ist sehr westlich geprägt und es gibt nur wenige Dinge, an die man sich zu gewöhnen hat. Sonst ist der Lifestyle ähnlich wie in jeder anderen Großstadt. Man muss sich eben nur damit abfinden, dass man als Europäer ständig angestarrt, beobachtet und heimlich fotografiert wird. Zeitweise nervt mich das wirklich, weil ich nicht verstehe, warum man mich nicht vorher einfach fragen kann. Aber an sich ist es eigentlich auch egal. Die Chinesen sind halt so. Mit den verschiedenen Religionen und Denkweisen wie Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus setze ich mich immer mehr auseinander. Es ist wirklich interessant einige Dinge hier zu beobachten.

Mir geht es wirklich sehr gut hier und das ganze Abenteuer macht mir unheimlich Spaß! Natürlich habe ich zwischendurch auch mal Heimweh und wünsche mir, ich wäre mal für einen Tag im Sommer in Berlin. Aber eigentlich ist das Auslandssemester noch besser, als ich es mir vorgestellt habe. Vieles was für andere neu ist, ist für mich ganz schnell zur Normalität geworden. Und es liegt noch so viel vor mir. Es gibt noch seeehr viel zu entdecken!

12. Juni 2017

Suzhou & Tongli

Ihr habt wohl gedacht ich hab nix mehr zu erzählen? Nee, falsch gedacht. Die Uni spannt mich nur leider von morgens bis abends ein. Die Abgabetermine von unzähligen Projekten, Hausarbeiten und Präsentationen rücken immer näher. Und es kommen immer noch welche obendrauf. Da bleibt nicht viel Zeit zum schreiben. Aber Freunde, hier wieder ein Update. Denn wer fleißig ist, darf nach getaner Arbeit auch genießen und durch die Weltgeschichte reisen.

Und so machten wir uns am vergangenen Wochenende auf nach Suzhou. Eine Stadt am Wasser, die wegen ihrer Kanäle auch als "Venedig des Ostens" genannt wird. Wir fuhren mit dem Schnellzug etwa eine halbe Stunde von Shanghai. Als wir ausstiegen schüttete es wie aus Eimern. Wassermassen stürzten von den Dächern. Und die Regenzeit hat offiziell ja noch nicht mal begonnen. Halleluja. Naja, wir hatten Regenjacken und -schirme und es wurde dann etwas weniger bzw. hörte zwischenzeitlich sogar auch mal ganz auf zu regnen. Unser erster Halt war die Beisi Pagoda. Ein 9-stöckiger Turm, buddhistisch geprägt, mit viel Geschichte und einem schönen Garten drum herum. Hier gibt es einen Brauch: man soll drei Runden in der Pagode im Uhrzeigersinn drehen. Das soll nicht nur Glück, Gesundheit und Erfolg bringen, sondern bewirkt auch, dass Drachen und Yakshas (Naturgeister) vor Sorgen und Problemen schützen. Wer entgegen dem Uhrzeigersinn läuft, bewirkt genau das Gegenteil. Natürlich haben wir es richtig gemacht und die Geister wachen nun über uns. Ein paar Meter weiter fanden wir ein idyllisches Teehäuschen und retteten uns ins Trockene. Mit einem Glas grünen Tee in der Hand schauten wir hinaus in den Regen und freuten uns über die gemütliche Atmosphäre. Das Leben kann manchmal so einfach und so schön sein.

Danach liefen wir zu einem der vielen Gärten dieser Stadt. Der Humble Administrator's Garden (= der Garten des bescheidenen Politikers) ist eine traditionelle chinesische Anlage mit verzierten Häusern und Bonsais. Da das Wetter nur semi-gut war, wollten die Chinesen auch lieber alle ins Museum nebenan und es war nicht hoffnungslos überlaufen. Hinsetzen und durchatmen war also inklusive. Als der Regen allmählich aufhörte, wanderten wir durch die Straßen von Suzhou zu den Kanälen. Niedlich, dass sie sich mit Venedig vergleichen. Immerhin haben sie auch Wasserstraßen. Trotzdem hat mir Suzhou wirklich gut gefallen.

Abends juckelten wir mit einem Bus in das nächstgelegene kleine Wasserdorf Tongli. Hier hatten wir für eine Nacht ein Hotel gebucht und wollten dann gemütlich den Sonntag dort verbringen. Ja ähm, angekommen gabs schon das nächste Abenteuer. Denn die Frage war: wie hinkommen, wenn Google Maps keinen richtigen Standort ausspuckt und kein Chinese je von diesem Hotel gehört hatte, uns also nur fragend anschaute? Nachdem wir eine Stunde durch die Gassen geirrt sind und uns wahrscheinlich jeder einzelne Einwohner fünf Mal an seinem Haus vorbei laufen sah, fanden wir ein Café mit einer netten chinesischen Familie, die für uns in dem Hotel anrief. Ein Mann von der Rezeption kam uns dann dort abholen und führte uns zu der Unterkunft. Ein Hoch auf unser bisschen Chinesisch! Sonst wären wir wahrscheinlich nie angekommen. (Am nächsten Tag gab es dann bei der Familie im Café Saft, Kaffee und Waffeln für alle - sie hatte uns ja sozusagen den Trip gerettet und wir wollten ihr wenigstens zum Dank etwas Umsatz bescheren.) Nachdem wir unsere Sachen dann im Hotel abgestellt hatten, gab es warme Nudelsuppe und später noch ein gemütliches Zusammensitzen in einer Bar, in der ein sehr talentierter chinesischer Sänger für uns eine Einzelvorstellung gab. Denn das Dorf war nachts wie ausgestorben.

Morgens ging es wieder los. Das Dörfchen bot einige "Scenic Spots" für Touristen entlang der Kanäle, die aber leider sehr überlaufen waren. Ganz anders als am Abend zuvor, drängelten und quetschten sich Menschen durch die Gassen. Wir machten dann noch eine kleine Bootsfahrt und ließen uns etwas treiben. Es war ganz nett dort, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass wir in eine Touristenfalle getappt waren. Es haute mich jetzt nicht vom Hocker. Kleine Anekdote, um zu verstehen was ich meine: Eine der Hauptsehenswürdigkeiten war der Pearl Tower ... ein hinter Glas gestellter Miniatur-Turm, an dem Perlenketten mit Sekundenkleber befestigt waren. Die Chinesen sind witzig.

Aber da es noch andere Wasserstädte in der Nähe von Shanghai gibt, gebe ich die Hoffnung nicht auf und werde weiter nach den schönsten Plätzen von China suchen! Liebe Grüße an alle zu Hause. Schön, dass ihr alle meinen Blog so fleißig verfolgt. ♥